«Sie sind in den Schutzstatus aufgenommen.»

6. April 2022

Viele Menschen aus der Ukraine müssen ihr Land wegen des anhaltenden Kriegs verlassen. Einige finden Schutz in der Schweiz. Wie geht das Migrationsamt mit ihnen um?

«Die Schweiz kann Schutzbedürftigen für die Dauer einer schweren allgemeinen Gefährdung, insbesondere während eines Krieges oder Bürgerkrieges sowie in Situationen allgemeiner Gewalt, vorübergehenden Schutz gewähren.» (Art.4 Asylgesetz)

Was noch vor wenigen Wochen undenkbar war, ist heute schreckliche Tatsache geworden: Ein Krieg in Europa zwingt tausende von Menschen zur Flucht. Einige davon finden den Weg in die Schweiz in der Hoffnung auf Ruhe und Schutz. So werden derzeit täglich rund 60 Menschen aus der Ukraine dem Kanton Basel-Stadt zugewiesen. Was genau geschieht dort mit ihnen? Welche Aufgaben hat das Migrationsamt in dieser Situation? Welche Herausforderungen ergeben sich daraus? Beat Gächter, Leiter der Abteilung Asyl und Rückkehrförderung, gibt einen Einblick in den Arbeitsalltag.

Wie läuft es ab, wenn eine Person aus der Ukraine in die Schweiz einreist?
Zuerst melden sich die Personen im Bundesasylzentrum (BAZ) und werden dort registriert; das ist auch online möglich. Nur so erhalten sie den Schutzstatus (Bewilligung S). Derzeit kommen fast ausschliesslich Frauen und Kinder zu uns. Es ist so, dass sich die Ukrainer in der Schweiz 90 Tage visumsfrei und legal als Touristen aufhalten können. Die Anmeldung beim BAZ eilt also nicht.
Der Bund weist die Leute den Kantonen zu. Das Migrationsamt erhält jeden Morgen eine Liste mit den Personen, die in unseren Kanton austreten. Die Mitarbeitenden des Migrationsamts eröffnen für jede Person ein Dossier. Danach übernimmt das Einwohneramt diese Daten und registriert die Person als Einwohnerin. Die meisten Ukrainerinnen und Ukrainer wohnen an einer Privatadresse. Einige werden jedoch in den kantonalen Asylstrukturen untergebracht. Das kann derzeit auch ein Hotel sein.
Nach einer gewissen Zeit erhalten die Personen vom Bund den Entscheid: «Sie sind in den Schutzstatus aufgenommen.» Mit diesem Schreiben sprechen sie beim Migrationsamt vor, um die nötigen biometrischen Daten zu erfassen, denn der Ausweis S wird in Kreditkartenformat ausgestellt. Danach dauert es rund eine Woche, bis der Ausweis vorliegt.

Warum erhalten die Personen den Status S und was genau bedeutet das?
Die gesetzliche Grundlage des Status S besteht schon länger als Teil des Asylgesetzes, wurde jedoch zum ersten Mal aktiviert. Nur der Bundesrat kann dies tun und für eine ganz bestimmte Gruppe, wie jetzt für die Menschen aus der Ukraine. Er ist vorerst ein Jahr gültig. Der Gedanke ist, dass die Leute zurückgehen, sobald der Krieg vorbei ist. Dieser Status wird nicht individuell vergeben wie der Asyl- oder der Flüchtlings-Status (N/F).
Der Status S ist für Ukrainer und zugehörige Familienmitglieder ausgesprochen worden, auch wenn diese eine andere Nationalität haben. Kommt jedoch jemand alleine und stammt ursprünglich aus einem andere Land, hat z.B. in Kiew studiert, so bekommt er vermutlich keinen Status S. Die Person sollte zurück in ihre Heimat reisen, sei dies Indien, Ecuador oder Tunesien. Dieser Entscheid obliegt allerdings dem SEM.
Leute mit Status S dürfen arbeiten – das ist jedoch bewilligungspflichtig - und im Schengenraum reisen, anders als die Personen mit N- oder F-Bewilligung. Man nennt sie daher nicht Asylbewerber, sondern Schutzsuchende.

Worauf muss in dieser speziellen Situation am Migrationsschalter geachtet werden?
Viele Ukainerinnen und Ukrainer sprechen nur wenige Worte englisch und keine andere hier gängige Fremdsprache. Die Verständigung ist daher nicht ganz einfach. Oft kommen jedoch ihre Gastgeber mit und übersetzen. Und die Leute sind gezeichnet von ihren Erfahrungen. Noch vor wenigen Wochen waren sie zuhause in der Ukraine und erlebten Bombenangriffe. Da bricht immer mal wieder eine Person vor unseren Schaltern in Tränen aus. Die Leute sind dünnhäutig. Meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kennen diese emotionalen Situationen aus dem Umgang mit Asylsuchenden und können damit umgehen. Schwierig ist eher die Menge an Menschen, die gekommen ist, und die neue Situation mit den Gegebenheiten des Status S, mit dem wir noch wenig Erfahrung haben.
Eine weitere Herausforderung ist, dass der übrige Geschäftsbetrieb weiterlaufen muss. Wir dürfen nicht vergessen, dass wir noch immer andere Asylbewerber haben, als Beispiel Eritreer und Somalier. Über sie spricht man im Moment nicht, aber sie sind da.

Wie verläuft die Zusammenarbeit mit den involvierten Ämtern?
Wir bekommen Hilfe und Unterstützung aus den anderen Abteilungen des Migrationsamts und können bei Bedarf eine Biometriekabine im Passamt benutzen.
Das Migrationsamt arbeitet eng mit dem Departement für Wirtschaft, Soziales und Umwelt (WSU) zusammen. Das gilt generell fürs Asylwesen, denn die Sozialhilfe im WSU ist zuständig für alles rund ums Thema Unterbringung sowie für die finanzielle Unterstützung. Wir sind generell gut vernetzt und arbeiten eng mit anderen Institutionen und Ämtern zusammen.
Täglich bekommen wir sehr viele Mailanfragen, die zu beantworten sind. Das kann von Seiten der Kundschaft sein oder von Betreuungspersonen. Oft sind wir gar nicht zuständig und leiten die Fragen weiter. Ein Arbeitsvermittlungsprogramm möchte zum Beispiel einen Ukrainer anstellen und fragt nach dem Vorgehen – klar eine Frage fürs WSU.
Der Status S ist neu für alle. Anfangs war vieles unklar, etwas chaotisch. Wir passen unsere Abläufe jedoch laufend an. Wir müssen flexibel und lernfähig bleiben. Für die Mitarbeitenden ist diese Situation eine Herausforderung, da es noch immer wenig klare Richtlinien gibt, an die sie sich halten können. Wir sind daher viel in Kontakt mit der Asylkoordinatorin. Sie hat gute Kontakte in anderen Kantonen und kann uns bei Fragen weiterhelfen. Wir sind interkantonal auch via Vereinigung der kantonalen Migrationsämter (VKM) vernetzt.