«Ich muss den Kolleginnen und Kollegen ein Kränzchen winden»

28. Januar 2022

Wie kommen Mediensprecher zu ihrem scheinbar umfassenden Wissen, mit dem sie den Medien Auskunft geben? Nachfrage bei jemandem, der es wissen muss.

Am 3. Januar 2022 wurde die im September angekündigte Reorganisation der Medienarbeit im Justiz- und Sicherheitsdepartement vollzogen. Analog zu den anderen Polizeikorps in der Schweiz wurde die gesamte Kommunikationsarbeit der Kantonspolizei Basel-Stadt zusammengeführt in derer Abteilung Kommunikation unter Leitung von Adrian Plachesi. JSD-Sprecher Toprak Yerguz verbleibt beim Generalsekretariat als Leiter Kommunikation des Departements und bearbeitet unter anderem Medienanfragen an die anderen Bereiche des JSD. Die Aufteilung der Zuständigkeiten zwischen den Medienstellen von Departement, Kantonspolizei und Staatsanwaltschaft als unabhängige Strafverfolgungsbehörde ist klar geregelt. Bleibt nur noch die Frage: Was machen Mediensprecher eigentlich, wenn kein Mikrofon in der Nähe ist? Toprak Yerguz gibt Auskunft.

Zuhören, verarbeiten, Antwort geben: Die wichtigsten Arbeitswerkzeuge von Toprak Yerguz sind Telefon und Computer.

Toprak Yerguz, das wievielte Interview ist dies heute für Sie?
(lacht) Es ist das erste. Interviews vor Kamera oder Mikrofon machen den kleinsten Teil meiner Arbeit aus. Meistens erteile ich bei Anfragen schriftlich per Email Antwort, manchmal mündlich am Telefon. Das hängt von den Fragen ab. Und dann gibt es noch viel Büroarbeit zu verrichten, die nicht immer direkt mit einer Anfrage zusammenhängt.

Wie muss ich mir den Tagesablauf eines Mediensprechers vorstellen?
Es gibt Parallelen zum Blaulichtalltag: Wir planen viel, aber ein wesentlicher Teil der Arbeit ist durch äussere Umstände fremdbestimmt. Wir nehmen wie andere Mitarbeitende auch an Sitzungen teil, treffen Absprachen oder besprechen Projekte. Es kann aber jederzeit eine Anfrage eintrudeln, die es dann möglichst rasch zu beantworten gilt.

Werden häufig Medienanfragen vorgetragen?
Es waren in den letzten Jahren immer jährlich 1500 bis über 2000 Medienanfragen pro Jahr. Ich bin seit fünf Jahren im Departement in der Medienarbeit tätig. Den «Minusrekord» von null Anfragen an einem Tag habe ich erst einmal erlebt, im letzten Sommer.

Was war die maximale Anzahl an einem Tag?
Das kann ich aus dem Stand nicht beantworten, aber ich kann die «Rekordjagd» relativieren: Es ist nicht nur die Anzahl Anfragen, die eine Herausforderung darstellt, sondern die Diversität. Wenn 15 Journalisten alle dasselbe wissen wollen, ist dies ein geringerer Aufwand für mich als Mediensprecher, als wenn fünf Journalisten komplett verschiedene Sachen wissen wollen.

Zum Beispiel?
Das JSD ist ja thematisch sehr breit aufgestellt. Es ist durchaus möglich, dass am selben Tag völlig verschiedene Anfragen eingehen wie zum Beispiel zu Covid-Impfungen in den Gefängnissen, über den Umgang des Migrationsamts mit ausländischen Bettlern, über Trauungen an einem Tag mit besonderem Datum, über einen aktuellen Verkehrsunfall, über ein Bauprojekt wie den Zweitstandort der Sanität sowie darüber, ob man ein Pferd auf ein blaues Parkfeld abstellen darf und ob man die Parkscheibe anbringen muss. Das sind übrigens alles reale Beispiele.

Über all diese Themen wissen Sie Bescheid?
Oberflächlich weiss ich bei vielen Themen Bescheid, nicht zuletzt, weil ich entsprechende Anfragen beantworten muss. Aber bei ganz vielen weiteren Themen bin ich auf die Mithilfe der Mitarbeitenden im JSD angewiesen, das muss man so ehrlich sagen. Es wäre ja übermenschlich, wenn ich das Fachwissen der knapp 2000 Mitarbeitenden im JSD in mir vereinen könnte.

Wie rasch werden Medienanfragen beantwortet?
In der Regel innert Tagesfrist. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass die meisten Anfragen am Vormittag zwischen 10 und 12 Uhr eingehen. Und fast alle Journalistinnen und Journalisten erwarten am selben Nachmittag eine Antwort. Das bedeutet, dass wir unter dem Strich wenige Stunden haben, um mehrere parallel eingehende Anfragen sauber abzuklären – die Mittagspause eingerechnet. Einfache oder sich wiederholende Anfragen können häufig rasch beantwortet werden. Andere benötigen mehr Aufwand.

Das klingt stressig.
Man gewöhnt sich daran. Ausserdem stehe ja nicht nur ich unter Zeitdruck, sondern auch die Fachleute, die ich jeweils um ihre Einschätzung bitten muss. Man darf nicht vergessen: Alle Mitarbeitenden tragen ihre tägliche Arbeitslast, und dann komme ich aus dem Nichts mit einer Anfrage und will innert kürzester Zeit eine fundierte Antwort. Das ist eine schwierige Situation. Die Journalistin oder der Journalist erwartet eine speditive Antwort ohne zu wissen, was sonst noch alles läuft. Wenn es etwas dauert, ist die Aussenwahrnehmung dann: «Auf der Verwaltung brauchen sie viele Stunden für eine simple Anfrage.»

Kommen Sie einfach zu den Informationen für die Beantwortung einer Anfrage?
Je nach Thema muss ich mich ein bisschen durchfragen. Aber nach fünf Jahren im Departement kann ich langsam ziemlich zielsicher die korrekte Fachperson ausfindig machen. Ich darf übrigens allen Kolleginnen und Kollegen im Departement ein Kränzchen winden. Wenn ich auf sie zukomme, wissen sie in der Regel, dass Zeitdruck herrscht. Dementsprechend bemühen sie sich, dass ich rasch zu den Informationen komme. Aber manchmal kann eine Frage wirklich nur von einer ganz speziellen Fachperson beantwortet werden, und wenn diese gerade nicht erreichbar ist, muss ich die Journalistin bzw. den Journalisten auf später vertrösten.

Wie sieht es mit der Ereigniskommunikation aus?
Sie liegt bei der Medienstelle der Kantonspolizei, in kriminalpolizeilichen Fällen oder bei Bränden bei der Medienstelle der Staatsanwaltschaft. Grundsätzlich liegt die Herausforderung darin, rasch zu verlässlichen Informationen zu kommen. Wenn die Medien nicht zeitnah eine Einordnung des Geschehens erhalten, fangen sie an, ihre Informationen von Passanten und Leserreportern zu sammeln. Die Qualität dieser Auskünfte ist nicht immer die beste. Heutzutage ist Geschwindigkeit eine grosse Herausforderung.

Sie waren selbst Journalist und haben die Seite gewechselt.
Diese Wortwahl bringt das mehrheitlich vorherrschende Verständnis sehr gut zum Ausdruck: «die Seite wechseln». Mediensprecher werden als natürlicher Gegenpol der Journalisten angesehen. Mir gefällt diese Denkweise nicht, aber ich verstehe sie. Die Rollen sind klar verteilt.

Müssen Mediensprecher ehemalige Journalisten sein?
So absolut würde ich es nicht ausdrücken, aber es ist sicher sehr hilfreich, eine solche Erfahrung im Team zu haben. Aussenstehende können die Dynamik und den Wettbewerbsgedanken in der Branche schlecht nachvollziehen, glaube ich. Ehemalige Journalistinnen und Journalisten kennen den Umgang und die Spielregeln besser. Und sie «riechen» wahrscheinlich schneller, welche Geschichte hinter einer Anfrage steckt.

Was ist der grösste Unterschied beim Wechsel vom Journalismus zum Mediensprecher?
Das ist einfach zu beantworten. Als Journalist setzen Sie die Themen. Allenfalls müssen Sie mal nachziehen, wenn die Konkurrenz besser oder schneller war. Aber grundsätzlich geben Sie den Takt an. Als Mediensprecher müssen Sie fast immer reagieren. Mit Medienmitteilungen generieren Sie selten die fettesten Schlagzeilen. Es ist eine komplett andere Ausgangslage und auch eine andere Belastung.

Darf man sagen, Sie seien parteiisch?
Es kommt drauf an, was Sie darunter verstehen. Es ist klar, dass man einer Mediensprecherin, einem Mediensprecher Befangenheit vorwerfen kann, schliesslich ist sie oder er an die Treuepflicht gegenüber dem Arbeitgeber gebunden. Meine Überzeugung ist, dass wir auf mehrfacher Ebene Dienstleister sein müssen: Für Journalisten, für die Mitarbeitenden des Departements beim Umgang mit Medienschaffenden, aber vor allem für die Bevölkerung. Alle Verwaltungsangestellte stehen im Dienste der Bevölkerung.

Man kriegt das Gefühl, das JSD und speziell die Kantonspolizei werden häufiger kritisiert als andere.
Diesen Eindruck teile ich nur bedingt. Naturgemäss interessieren sich die Menschen und damit auch die Medien vor allem für konfliktbeladene Situationen, und die kommen nun mal häufiger dort vor, wo Behörden eine hoheitliche Macht ausüben müssen. Bei uns ist das bei der Kantonspolizei der Fall, aber auch im Strafvollzug und im Migrationsamt. Das sind denn auch im JSD die Top 3 der Adressaten für Anfragen von Journalisten. Die Rettung Basel-Stadt beispielsweise leistet super Arbeit zum Wohle der Bevölkerung, aber für sie interessieren sich die Medien abseits des Ereignisfalls eher selten. Dasselbe beim Zentralen Rechtsdienst, Services oder dem Generalsekretariat.

Dann geben die Medien ein falsches Bild ab?
Hand aufs Herz: Bleiben Sie stehen und schauen zu, wie auf einer Strasse der Verkehr flüssig läuft? Nein, Sie schauen dann zu, wenn es zu einem Unfall kommt. Konflikte und Ausnahmesituationen reizen uns Menschen mehr als der Normalzustand. Diesem Aufmerksamkeitsdiktat sind auch die Medien unterworfen. Sie liefern der Leserschaft, der Hörerschaft, den Zuschauerinnen und Zuschauern das, was diese interessiert.

Sie haben also immer Verständnis für jede Anfrage?
So weit geht meine Liebe dann doch nicht. Aber ich erachte es schon als meine Aufgabe, im Departement um Verständnis zu werben. Ich glaube zudem, dass man den Journalistinnen und Journalisten tendenziell lieber viel sagen sollte als wenig. Natürlich sind wir als Behörde durch Datenschutz, Persönlichkeitsrechte oder polizeitaktische Gründe gerade bei den brisanten Themen eingeschränkt, aber es gibt immer einen kleinen Spielraum.

Letzte Frage: Darf ich ein Pferd auf ein blaues Parkfeld abstellen und muss ich eine Parkscheibe anbringen?
Die Anfrage war lustiger als unsere damalige Antwort, aber als Verwaltung ist Lustigsein nicht unser Kerngeschäft. Die Kurzversion lautet: Ja, ein Pferd darf auf einem blauen Parkfeld stehen, aber es muss angebunden sein. Und nein, Sie brauchen keine Parkscheibe.