Exmissionen – Schicksale in Schachteln gelagert

1. Juli 2022

Wenn eine Mieterin oder ein Mieter die Wohnung nach Ende des Mietverhältnisses nicht zurückgibt, kann die Verwaltung beim Zivilgericht die Ausweisung aus der Wohnung beantragen. Nach einer erfolgreichen Klage wird zwangsgeräumt. Dasselbe gilt, wenn jemand trotz Mahnungen die Miete über mehrere Monate nicht bezahlt. Die zurückgelassenen Möbel, Gegenstände und Kleider werden fachgerecht verpackt, in ein Lager transportiert und für einige Monate aufbewahrt. Werden sie in dieser Zeit nicht abgeholt, wird die Ware verwertet. Das ganze Prozedere nennt sich Exmission oder Räumung bzw. Mieterausweisung.

Im Kanton Basel-Stadt ist der Bereich Bevölkerungsdienste und Migration, Abteilung Passamt, für das Lager der Exmissionsgegenstände zuständig, also der Aufbewahrung aller Gegenstände aus den zivilgerichtlich angeordneten Wohnungsräumungen. Der Weibel des Zivilgerichts organisiert die Räumung und den Transport ins Exmissionslager, das auch Polizeilager genannt wird. Er erstellt ein Inventar aller Gegenstände, den sogenannten Weibelbericht und übergibt dann die Verantwortung ans Passamt. Im Durchschnitt finden vier bis fünf Exmissionsverfahren pro Monat statt.

Im Exmissionslager wird zu jeder Lieferung eine Akte angelegt. Da stehen in der grossen Halle schön nach aufgelöstem Haushalt geordnet die Umzugsschachteln und losen Gegenstände. Das sind zum Beispiel verschiedene Möbel, Stühle, Kühlschänke, Wäscheständer, Fernseher, Lampen, Schallplatten und Musikinstrumente und vieles mehr. In einer offenen Kiste hoch oben sitzt ein grosser Teddybär. Unten steht ein Snowboard neben Velos und Lautsprechern. All diese zurückgelassenen Sachen werden während mindestens drei Monaten aufbewahrt. Dabei gilt die Sorgfaltspflicht zu beachten. Und generell dürfen keine kaputten oder schmutzigen Dinge gelagert werden, auch keine Lebensmittel, nichts Verderbliches und keine hochentzündlichen Stoffe.

Sobald eine Exmission aufgenommen und gelagert worden ist, wird der ausgewiesene Mieter angeschrieben und aufgefordert, seine Ware abzuholen. Kennt man seine Adresse nicht, wird er im Kantonsblatt ausgeschrieben. Das ist zum Beispiel der Fall, wenn sich ein Mieter ins Ausland abgesetzt und alles zurückgelassen hat, was er nicht mehr braucht.

Will jemand seine Ware aus dem Exmissionslager zurückhaben, muss er die bestehenden Lagergebühren bezahlen; Zehn Franken pro Quadratmeter und Monat zuzüglich Mehrwertsteuer. Dafür fehlt den Leuten oft das Geld. Zudem sind die Behörden häufig mit Unzuverlässigkeit konfrontiert, betroffene Personen halten sich nicht an abgemachte Termine. Und leider meldet sich die Mehrheit gar nie, war schon bei der Räumung abwesend. Das Passamt hat das Recht bzw. die Pflicht, die Ware nach einer gewissen Zeit zu verwerten. Die Sachbearbeiter der Exmissionen halten daher alle unternommenen Schritte schriftlich fest, alle Korrespondenz und die Telefonate, die sie führen, um die Leute zu finden und sie zum Abholen der Ware zu motivieren. Trotz grossem Einsatz wird die Ware oft nicht ausgelöst. Dann heisst es verwerten. Ein Trödelhändler übernimmt alles Brauchbare, der Rest – leider die Mehrheit der Ware – wird entsorgt. Eine geringe Anzahl aussergewöhnlicher Gegenstände findet den Weg zum Gantwesen für eine öffentliche Versteigerung.

Nur wenige Kantone bieten eine Zwischenlagerung von Exmissionsgegenständen an wie der Kanton Basel-Stadt. Sein Lager befindet sich unter einer Autobahnbrücke und umfasst rund 600 m2. Ein Ort voller Umzugsschachteln und Gegenständen, verpackt und gelagert, schön nach Haushalt geordnet, bereit zum Abholen oder zum Verwerten. Ein seltsamer Ort, irgendwie kühl. Und doch berühren die vielen persönlichen Gegenständen, die alle eine Geschichte erzählen könnten. Denn hinter den gestapelten Umzugsschachteln verbergen sich viele Schicksale.