Ins Gefängnis wegen einer Busse?

11. März 2022

Etwas zu schnell oder ohne Ticket im Tram erwischt… und schon landet eine Busse auf dem Tisch. Wer den fälligen Betrag nicht begleicht, muss mit einem Gefängnisaufenthalt rechnen - auch bei kleinen Summen.

Nebst Ordnungsbussen gibt es Geldstrafen aus Strafbefehlen oder Urteilen, die von der Staatsanwaltschaft oder einem Gericht erlassen werden: viel zu schnell und/oder angetrunken gefahren, mit abgelaufener Haftpflichtversicherung gefahren, Hausfriedensbruch begangen oder Sachbeschädigung, jemanden bedroht; es gibt viele Gründe.

Mehrere Chancen zur Begleichung

Das Ganze läuft so ab: Hält man sich nicht an das Gesetz, bekommt man eine Ordnungsbusse oder einen Strafbefehl mit einer Rechnung. Wird die Rechnung nicht bezahlt, geht eine Meldung ans Inkasso des Justiz- und Sicherheitsdepartements. Die Mitarbeitenden verschicken eine erste, später eine zweite Mahnung und leiten allenfalls eine Betreibung ein. Bezahlt die Person sodann die Busse bzw. Geldstrafe nicht und kann das Geld auch nicht auf dem Betreibungsweg einkassiert werden, so wandelt das Inkasso die Busse bzw. die Geldstrafe in eine Ersatzfreiheitsstrafe um. Es übergibt den Fall den Mitarbeitenden des Straf- und Massnahmenvollzugs (SMV). Die verurteilte Person erhält nochmals die Gelegenheit mittels einem Schreiben bzw. Vollzugsbefehl, die Busse zu begleichen. Bei Nichtbegleichen der Busse erlässt der SMV einen Vorführungsbefehl an den Fahndungsdienst. Das heisst, der SMV beauftragt die Fahnder, die Person festzunehmen. Nun hat die verurteilte Person nochmals die Chance, den ausstehenden Betrag spontan zu zahlen, ansonsten wird sie mitgenommen und ins Gefängnis gebracht.

Wer eine Busse nicht bezahlt, landet schlussendlich im Gefängnis – Bussen und Geldstrafen sind das Massengeschäft im Straf- und Massnahmenvollzug.

Kommt immer wieder vor: Auslösung aus der Haft

Ist der Straffällige erst einmal im Gefängnis, kann es durchaus vorkommen, dass die Ehefrau oder jemand anders aus der Familie kurze Zeit später beim Inkasso erscheint und die Busse doch noch bezahlt, um ihn aus der Haft auszulösen. Oft kommen die Familienangehörigen an einem Freitagnachmittag, damit es für die Meldung über die Einzahlung des Restgeldbetrages an den Strafvollzug reicht. Dieser erlässt seinerseits den Haftentlassungsschein, damit die Person danach entlassen werden kann. Es kann auch durchaus vorkommen, dass die Ehegattin den Mann erst nach dem Wochenende auslöst, ob bewusst oder nicht, kann dahingestellt bleiben. Falls das Inkassobüro bereits geschlossen hat, muss er bis am Montag im Gefängnis bleiben. Falls die Busse gar nicht beglichen wird, muss die verurteilte Person die ganze Busse absitzen.

War eine verurteilte Person durch die Polizei nicht auffindbar, wird sie schlussendlich im Fahndungssystem zur Fahndung ausgeschrieben. Bei der nächsten Kontrolle bei einem Behördengang, am Zoll oder anderweitig wird sie sodann sofort festgenommen und ins Gefängnis gebracht.

Grosser Aufwand für oft kleine Bussen

Die meisten Ersatzfreiheitsstrafen bewegen sich zwischen 40 und 200 Franken. Es gibt jedoch auch solche von 1000 bis zu 10'000 Franken. Es ist erstaunlich, wie viele Bussen und Geldstrafen nicht bezahlt werden; wahrlich ein Massengeschäft im Strafvollzug, verbunden mit einem unglaublichen Aufwand für die Behörden. In den letzten fünf Jahren waren es im Durchschnitt pro Jahr 400 Umwandlungen aus Geldstrafen und rund 11'500 aus Ordnungsbussen.

Warum begleichen die Leute ihre Bussen nicht? Die Gründe können ganz unterschiedlich sein: Die einen wollen nicht bezahlen, die anderen können nicht oder haben ihr Leben nicht im Griff, denn zuhause stapeln sich die Rechnungen. Viele Klienten haben nicht nur eine, sondern mehrere offene Bussen und diese für verschiedene Delikte.

Viel Wirbel von Seiten der Kundschaft

Die Mitarbeitenden des Straf- und Massnahmenvollzugs müssen lernen, nach der Arbeit abzuschalten. Auch wenn die Delikte im Bussengeschäft nicht so belastend sind wie zum Beispiel in anderen Bereichen des SMV, so ist der tägliche Umgang mit der Kundschaft dennoch eine Herausforderung. Viele rufen den Strafvollzug an, sobald sie die Vorladung erhalten haben. Sie hoffen, dass ihnen die Mitarbeitenden entgegenkommen, die Frist erstrecken, Ratenzahlung gewähren oder gar die Busse aufheben. Beides geht zu diesem Zeitpunkt jedoch nicht mehr. Die Anrufer fragen an, wofür die Busse überhaupt sei. Sie meinen, dass sie das gar nicht gewesen seien, dass es sich zum Beispiel um das Auto einer anderen Person gehandelt habe. Viele versuchen es mit Verzögerungstaktiken, benutzen Ausreden. Oft erzählen sie, dass es ihnen schlecht gehe, dass sie arbeitslos seien, eine Operation bevorstehe. Aus Datenschutzgründen können die Mitarbeitenden jedoch keine telefonischen Angaben und Auskünfte erteilen.

Aktiv werden

Was kann der Klient nun tun, damit er gar nicht in diese Situation kommt? Die einfachste Lösung ist, sich an das Gesetz zu halten bzw. die Busse oder Geldstrafe fristgerecht zu begleichen oder, falls das möglich ist, ein Gesuch zur Umwandlung in gemeinnützige Arbeit zu stellen. Das geht jedoch nur, bevor die Umwandlung in eine Ersatzfreiheitsstrafe stattgefunden hat. Danach bleiben drei Möglichkeiten offen:

  • Busse bezahlen
  • Busse im Gefängnis absitzen
  • Gesuch um Strafverbüssung in der Form der elektronischen Überwachung oder Halbgefangenschaft stellen (sofern die Voraussetzungen erfüllt sind)

Wie dem auch sei: Wer immer sich wundert, dass er für eine Busse von 40 Franken schlussendlich ins Gefängnis wandert, hat bereits einen langen Weg hinter sich. Er hat die Behörden mächtig auf Trab gehalten und sie beschäftigt. Überrascht mag er dennoch sein, denn das Vergehen, das zur Busse oder Geldstrafe geführt hat, liegt Monate zurück.