Kulturgüterschutz: Globaler Auftrag, lokale Verantwortung

21. April 2021

Basel ist eine Kultur- und Museumsstadt. Doch Altstadt und Museumssammlungen sind fragile Objekte. Gut gibt es den Kulturgüterschutz zur Verhinderung von Schäden am Basler Kulturerbe. Der Verantwortliche Kulturgüterschutz berichtet von der laufenden Reorganisation und der Zusammenarbeit mit dem Zivilschutz.

Vor zwei Jahren fiel die Kathedrale Notre-Dame den Flammen zum Opfer. Das Wahrzeichen von Paris, das rund 750 Jahre und zahlreiche Kriege überstanden hatte, lag nach wenigen Stunden zu einem Grossteil in Schutt und Asche. Doch Kulturgüter gehen immer wieder verloren. In Basel-Stadt sorgt der Kulturgüterschutz dafür, dass die Sammlungen in den Museen, die Bestände der Archive und Bibliotheken sowie die zahlreichen Baudenkmäler und archäologischen Fundstellen in Basel-Stadt möglichst sicher sind. Mit dem Gesetz über den Zivilschutz und Kulturgüterschutz, zu dem Ende März dieses Jahres die öffentliche Vernehmlassung durchgeführt wurde, konnte ein wichtiger Meilenstein erreicht werden. Doch es gibt noch viel zu tun, um das einmalige kulturelle Erbe im Kanton vor den vielfältigen Gefahren zu bewahren und für kommende Generationen zu erhalten.

In einer unregelmässigen Serie soll über die Weiterentwicklung des Kulturgüterschutzes und die Zusammenarbeit mit dem Zivilschutz und der Feuerwehr Basel-Stadt berichtet werden. Zum Auftakt beantwortet der seit 2017 amtierende Leiter der im Präsidialdepartement angesiedelten Fachstelle Kulturgüterschutz, Dr. Flavio Häner, Fragen zum Thema.

Abbildung 1: Blaues Schild, Internationales Schutzzeichen für Kulturgüter

Was heisst Kulturgüterschutz?

Der Kulturgüterschutz umfasst alle Massnahmen zum Schutz und Erhalt von beweglichen und unbeweglichen Kulturgütern vor Beschädigung, Zerstörung, Diebstahl und Verlust verstanden werden. Der Schutz der Kulturgüter ist eine globale Aufgabe. Er dient der Sicherung und der Respektierung des kulturellen Erbes der Menschheit und dessen Erhaltung für zukünftige Generationen. Das internationale Schutzzeichen des Kulturgüterschutzes, das sogenannte Blaue Schild, ist vergleichbar mit dem Roten Kreuz oder dem Roten Halbmond. Im Unterschied zum Denkmalschutz ist der Kulturgüterschutz aber auf den Schutz vor «externen» Gefahren (Krieg, Feuer, Wasser, Erdbeben) ausgerichtet und nicht auf den Erhalt nach denkmalpflegerischen Kriterien. Oder anders gesagt, der Kulturgüterschutz kann ein Denkmal nach Möglichkeit vor dem Einsturz schützen, aber nicht oder nur bedingt vor einem Abbruch oder Umbau.

Seit wann gibt es den Kulturgüterschutz?

Die Grundlage für den Kulturgüterschutz entstand bereits 1954 mit der Verabschiedung der Haager Konvention zum Schutz von Kulturgut bei bewaffneten Konflikten. Dieser völkerrechtliche Vertrag wurde nach den Erfahrungen des Zweiten Weltkrieges von der internationalen Staatengemeinschaft mit dem Ziel abgeschlossen, Kulturgüter im Falle eines Krieges oder bewaffneten Konfliktes vor Zerstörung oder Beschädigung sowie Diebstahl, Plünderung und anderen Formen einer widerrechtlichen Inbesitznahme zu schützen. Die Schweiz trat 1962 dem Haager Abkommen bei und legte 1966 mit einem Bundesgesetz die nationalen Rahmenbedingungen für den Kulturgüterschutz fest. Bis zum Ende der Ära des Kalten Krieges blieben die Massnahmen auf den Schutz der Kulturgüter im Falle eines bewaffneten Konfliktes ausgerichtet. Zwischen 1990 und 2010 kam es in der Schweiz zu mehreren Verlusten und Beschädigungen von Kulturgütern, wie beim Brand der Luzerner Kapellbrücke im Jahr 1993 oder bei den verheerenden Hochwassern 2005 und 2007 in der Inner- und Nord-West-Schweiz. Daraus resultierte die Erkenntnis, dass die Hauptgefahr für Kulturgüter nicht von Kriegen ausgeht. In der Folge wurde 2014 das Bundesgesetz totalrevidiert. Neu umfasst es auch den Schutz der Kulturgüter in Friedenszeiten bei Katastrophen und in Notlagen. Heute liegt der Fokus des Kulturgüterschutzes in der Schweiz auf dem Schutz der Kulturgüter vor natur-, technik- oder zivilisationsbedingten Gefahren. Auf internationaler Ebene beteiligt sich die Schweiz nach wie vor aktiv am Schutz der Kulturgüter im Falle eines bewaffneten Konflikts.

Abbildung 2: Lange bevor es den Kulturgüterschutz als Fachbereich gab, wurden bereits Kulturgüter geschützt: Schutzverbauungen am Basler Münster im Zweiten Weltkrieg, 1939 (Staatsarchiv Basel-Stadt, BSL 1045c 2-1158, Fotoarchiv Hoffmann).

Was sind Kulturgüter?

Das Haager Abkommen definiert Kulturgut als «bewegliches oder unbewegliches Gut, das für das kulturelle Erbe der Völker von großer Bedeutung ist». Diese werden in der Schweiz im Inventar der schützenswerten Kulturgüter von nationaler und regionaler Bedeutung festgehalten. Erstmals verabschiedete der Bundesrat das Inventar im Jahr 1987. Dabei wurden die Kulturgüter in den Kantonen in die Kategorien A (nationale Bedeutung) oder B (regionale Bedeutung) eingeteilt. Die Inventarisierung von Objekte der Kategorie C (lokale Bedeutung) führen die Kantone selbstständig durch. Seit der Erstpublikation des Schweizerischen Inventars hat der Bund das Inventar dreimal revidiert. Die jüngste Revision findet Mitte 2021 Ihren Abschluss. Die im Inventar erfassten Objekte sind unter anderem auf dem Geoportal des Bundes abgebildet. Mit 124 im Inventar erfassten Objekten von nationaler Bedeutung und 310 Objekten von regionaler Bedeutung weist der Kanton Basel-Stadt eine besonders hohe Dichte an Kulturgütern auf. Diese werden bald nicht nur auf dem Geoportal des Bundes, sondern auch auf dem Geoportal des Kantons publiziert sein.

Abbildung 3: Kulturgüterschutz-Objekte von nationaler Bedeutung (Kategorie A) in und um den Kanton Basel-Stadt auf dem Geoportal des Bundes (https://map.geo.admin.ch/)

Welches sind die wichtigsten Kulturgüter im Kanton Basel-Stadt?

Eine generelle Aussage über die Wichtigkeit oder Bedeutung eines Kulturgutes ist nicht möglich. Ein Grund hierfür ist, dass wir heute nicht sagen können, was in 100 oder 1000 Jahren als bedeutend gilt. Da Basel seit dem Erdbeben von 1356 vor grösseren Katastrophen verschont blieb, besteht heute noch ein besonders reicher Bestand an historisch und architektonisch wertvollen Bauten. Stadt und Kanton Basel sind international für die Vielfalt an Museen bekannt, die jeweils über grosse Bestände an beweglichen Kulturgütern verfügen. Im Staatsarchiv, sowie weiteren öffentlichen oder privaten Archiven werden Quellen zu über 1000 Jahre Geschichte aufbewahrt. Die Öffentliche Bibliothek der Universität Basel ist die älteste des Landes und gehört deren Sammlung zu den schweizweit bedeutendsten. Auch an archäologische Fundstellen, die ebenfalls zu den Kulturgütern zählen, finden sich aufgrund der jahrtausendealten Siedlungsgeschichte in der Region zahlreiche Objekte. Neben den bekannten Kulturgütern gibt es auch weniger bekannte aber ebenso bedeutende. Als Beispiele können hier das historische Archiv der Bank für Internationalen Zahlungsverkehr (BIZ), das die Geschichte des globalen Zahlungsverkehrs dokumentiert oder das um 1928 vom Basler Architekturbüro Artaria & Schmid entworfenen Haus «zum neuen Singer», das als eines der ersten modernen Bauprojekte der Schweiz auf die Wohnbedürfnissen von alleinstehenden Frauen einging. Beide Objekte sind als Objekte von nationaler Bedeutung im Inventar erfasst.

Wie werden die Kulturgüter geschützt?

Die Kantone sind für den Schutz der Kulturgüter auf ihrem Gebiet zuständig. Die Verantwortung liegt aber bei den Eigentümern der Kulturgüter. Die Kulturgüterschutzverantwortlichen koordinieren dabei die kantonalen Massnahmen mit denen des Bundes. Aufgrund der regionalen Unterschiede hinsichtlich der Bestände an und Gefahren für die Kulturgüter bestehen von Kanton zu Kanton unterschiedliche Modelle. Der Kanton Basel-Stadt mit seinen bedeutenden Sammlungen und den darin enthaltenen Millionen Einzelgegenständen steht dabei vor einer besonderen Aufgabe. Klar ist, dass der Kulturgüterschutz nur im Verbund funktioniert. Im Kanton Basel-Stadt sorgt die seit 2017 bestehende Fachstelle Kulturgüterschutz für einen reibungslosen Austausch zwischen den Ereignisdiensten des Justiz- und Sicherheitsdepartements (Zivilschutz, Feuerwehr, Militär, Polizei) mit den Dienststellen der Abteilung Kultur im Präsidialdepartement und der kantonalen Denkmalpflege, sowie mit den öffentlichen wie privaten Eigentümer von Kulturgütern. Zu den wichtigsten Schutzmassnahmen gehören die Erstellung von Notfallplänen und die Erarbeitung von Sicherstellungsdokumentationen. Letztere sind vor allem für eine Wiederherstellung oder die Bergung von Kulturgütern im Schadenfall wichtig sind. Damit diese Daten möglichst lange erhalten bleiben, werden sie auf Mikrofilmen in einem speziell dafür eingerichteten Depot des Bundes sicher verwahrt. Zudem koordiniert der Kulturgüterschutz den Bau von besonders sicheren Kulturgüterschutzräumen für Museen, Bibliotheken und Archive.

Abbildung 4: Kulturgüterschutzspezialisten des Zivilschutzes besuchen im November 2020 das Antikenmuseum, als dieses aufgrund von Bauarbeiten die Sammlung vor Erschütterungen schützen musste.

Und welche Aufgaben übernimmt der Zivilschutz im Kulturgüterschutz?

Der Zivilschutz hat als Einsatzelement eine wichtige Rolle im Falle eines Ereignisses. Ist beispielsweise ein Museum von einem Brand oder einem Wasserschaden betroffen, bedarf es einer umfassenden Notfallorganisation und einer Unterstützung des Museumspersonals. Wenn Tausende oder Millionen von Kulturgütern an einen sicheren Ort gebracht werden müssen, führt dies zu einem immensen logistischen und personellen Aufwand. Um auf solche Ereignisse vorbereitet zu sein, müssen die Angehörigen des Zivilschutzes (Fachspezialisten wurde für die Bewältigung dieser Aufgaben ausgebildet) mit dem Personal und den Arbeitsprozessen in den Kulturinstitutionen vertraut sein. Schliesslich sind es die Fachpersonen aus den Institutionen, die aufgrund ihrer tagtäglichen Arbeit mit den Objekten am besten Wissen, wie mit den Objekten umzugehen ist. Das Fachpersonal seinerseits ist aber nicht für den Ernstfall ausgebildet. So zielt der Kulturgüterschutz im Kanton Basel-Stadt darauf ab, Kulturgüterschutz-Einsatzorganisationen aufzubauen und diesen die nötigen Mittel zur Verfügung zu stellen. Zu den Einsatzmitteln gehören unter anderem Module mit Materialien für die Reinigung, Verpackung und Dokumentation, Fahrzeuge für den Transport aber auch die Einrichtung von Not-Depots und Notlagern. Im Falle einer Katastrophe, wie zum Beispiel einem Erdbeben, so wäre der Kulturgüterschutz wohl über Jahre oder Jahrzehnte mit der Bergung, Sicherung und Wiederinstandstellung von Kulturgütern beschäftigt – doch hoffen wir, dass dies nie nötig sein wird.

Wie sieht die Zukunft des Kulturgüterschutzes aus?

Aktuell ist der Kulturgüterschutz in Basel-Stadt noch in der Entwicklungsphase. Die Erarbeitung der rechtlichen Grundlagen ist dabei ein zentraler Punkt. Im Ereignisfall muss es schnell gehen, da keine Zeit für langwierige juristische oder administrative Abklärungen besteht. Entsprechend ist es notwendig, dass die Rechtsgrundlage und darauf aufbauende Planung so klar wie möglich ist. Dank einem intensiven Austausch in interdepartementalen Arbeitsgruppen ist der Kanton hier auf Kurs, so dass das neue Gesetz und die dazugehörigen Ausführungsbestimmungen auf 2022 nicht nur in Kraft, sondern auch umgesetzt gesetzt werden. Neben den Rechtsgrundlagen wird mit Hochdruck am Aufbau der Geoinformations-Plattform für die Inventarisierung, die Notfall- und Einsatzplanung, sowie der weiteren Ausbildung von Kulturgüterschutz-Spezialisten und Personal von Kulturinstitutionen gearbeitet. Auch ist mit weitere Herausforderungen zu rechnen, wie Fragen zum Schutz und zur Langzeitsicherung digitaler oder audio-visueller Kulturgüter. Neue Technologien sollen aber auch bei den Schutzmassnahmen zur Anwendung kommen. So wird derzeit nach einer Notfall-App zur Dokumentation im Schadenfall entwickelt. Bis es aber so weit ist gilt es das Netzwerk weiter auszubauen und über Ausbildung, Übungen und gemeinsamen Anlässen dafür zu sorgen, dass sich alle Personen, die sich für den Erhalt und die Bewahrung der Kulturgüter im Kanton Basel-Stadt einsetzen, gemeinsam agieren und im Falle eines Ereignisses reagieren können.