Ein Jahr Pandemie aus Sicht der Sanität Basel

17. März 2021

Covid-19 und Coronavirus: Wer hat zu Beginn wirklich gedacht, dass uns diese Begriffe über ein Jahr lang begleiten würden? Die Pandemielage und die notwendigen Massnahmen haben auch die Blaulichtorganisationen vor Herausforderungen gestellt. Zum Beispiel die Sanität der Rettung Basel-Stadt, die an vordester Front mithilft, die aktuelle Lage zu bewältigen. Martin Gabi, Leiter der Sanität Basel, blickt auf das vergangene Jahr zurück.

Die Sanität Basel konnte zwischenzeitlich für Krankentransporte auf die Unterstützung der Armee zählen.

Martin Gabi, nach rund einem Jahr Pandemie: Was waren die grössten Herausforderungen für die Sanität der Rettung Basel-Stadt?

Die Sanität Basel ist zwar für ausserordentliche Lagen gut vorbereitet, doch mit einer so lange andauernden Pandemie hatte im Februar 2020 wohl niemand gerechnet. Es gab zwar vorbereitete Checklisten und Ablaufszenarien, doch wie wir heute wissen, änderte sich die Lage am Anfang der Pandemie täglich wenn nicht sogar stündlich. So standen wir am Anfang wie alle anderen auch vor grossen Herausforderungen, unsere Abläufe fast täglich den neuen Erkenntnissen anzupassen. Gleichzeitig stiegen in den ersten Wochen der Pandemie die Einsatzzahlen stark an, die Einsatzzeiten für Verdachtsfälle und Covid-19-Patienten waren auf Grund der Isolationsmassnahmen mehr als doppelt so lange wie bei einem normalen Einsatz.

Hatten Sie immer genügend Mitarbeitende im Einsatz?

Es gab viele angeordnete Isolations- und Quarantänemassnahmen für jene Mitarbeitenden, welche im privaten Umfeld Kontakt zu positiv getesteten Patienten hatten. Da die Kantone dies zum Teil unterschiedlich handhabten und unsere Mitarbeitenden in diversen Kantonen wohnhaft sind, war es eine sehr grosse Herausforderung das steigende Einsatzaufkommen mit zum Teil nur noch 70% verfügbaren Mitarbeitenden zu stemmen.

Als Rettungssanitäter lässt sich der direkte Kontakt mit Menschen nicht vermeiden. Wie hat sich die Arbeit wegen der Pandemie verändert?

Wir sind bei unserer Arbeit tagtäglich – auch ausserhalb einer Pandemie – mit Patientinnen und Patienten in Kontakt, die an einer übertragbaren Krankheit leiden. So sind Arbeitsabläufe in Prozessen standardisiert, die Mitarbeitenden entsprechend geschult, um bei den entsprechenden übertragbaren Krankheiten die richtigen Vorkehrungen zu treffen. In einer Pandemie – insbesondere mit einer neuen Erkrankung, wo noch vieles unbekannt ist – müssen die Prozesse ständig den neu gewonnenen Erkenntnissen angepasst und die Mitarbeitenden entsprechend fortlaufend informiert und geschult werden.

Wie gross war der Anteil an Transporten von Covid-19-Patienten? Wie hat sich dies auf den sonstigen Betrieb ausgewirkt?

In der ersten Welle nahmen die Einsätze mit Verdachtsfällen und positiv getesteten Patientinnen und Patienten rasch zu und machten an gewissen Tagen einen Anteil von zehn bis zwanzig Prozent der gesamten Einsätze aus. Aufwendig war aber nicht einmal nur die Anzahl der Einsätze, sondern vor allem die Dauer der Einsätze durch die Isolationsmassnahmen und die anschliessende Desinfektion von Rettungswagen und Ausrüstung. Durch die Unterstützung von Zivilschutz und Militär konnte trotz der hohen Belastung der «reguläre» Dienstbetrieb aufrechterhalten werden.

Haben Sie die Auswirkungen der Massnahmen gespürt?

Ja, während der «Lockdown»-Massnahmen im Frühling kam das öffentliche Leben für rund zwei Monate nahezu zum Stillstand, was sich auch auf unser Arbeitsvolumen ausgewirkt hat. Die regulären Rettungseinsätze nahmen zwischenzeitlich massiv ab, was zu einer grossen Entspannung der Lage bei der Sanität Basel beitrug.

Sie haben die Desinfektion angesprochen, die nach dem Transport eines Patienten nötig ist.

Die Rettungswagen, die Ausrüstung sowie die Kleider der Mitarbeitenden werden nach internen Vorgaben und nationalen wie internationalen Standards desinfiziert und aufbereitet. Hier hielten wir uns stets an die sichersten Standards in Absprache mit den Hygieneverantwortlichen des Universitätsspitals Basel, um das Ansteckungsrisiko innerhalb des Betriebs so gering wie möglich zu halten.

Lässt sich allgemein quantifizieren, wie gross der entstandene Zusatzaufwand wegen Covid-19 bisher war?

Der Aufwand in Arbeitsstunden lässt sich nur schwer abschätzen, da nicht sämtliche Stunden, die im Rahmen der Pandemie zusätzlich geleistet wurden, auch erfasst werden konnten. Alleine der Materialaufwand, der durch zusätzliches Schutzmaterial und die entsprechenden Entsorgungsmassnahmen verursacht wurde, ist jedoch beträchtlich und liegt im sechsstelligen Frankenbetrag.

Zwischenzeitlich gab es auch Unterstützung der Armee. Wo konnte sie konkret helfen?

Die Armee unterstützte uns vorwiegend beim Transport von Covid-19-Patientinnen und Patienten und bei Krankentransporten von stabilen Patientinnen und Patienten. Dies entlastete die Sanität im «Alltagsgeschäft» erheblich, waren doch zu Spitzenzeiten bis zu einem Viertel der Mitarbeitenden bei der Sanität selbst in Isolation oder Quarantäne.

Gab es während der zweiten Welle Unterschiede zur ersten Welle?

In der zweiten Welle hatte die Sanität Basel mehr Einsätze von Covid-19-Patientinnen und Patienten zu verzeichnen. Diese benötigten gegenüber der ersten Welle deutlich mehr medizinische Massnahmen und es gab mehr positiv Getestete. Da es in der zweiten Welle keinen Lockdown gab, war die Belastung auch durch das «Alltagsgeschäft» sehr hoch. Da wir in der zweiten Welle weniger Personalausfälle zu verzeichnen hatten als in der ersten, konnten wir durch die Aufstockung von Teams das hohe Einsatzaufkommen ohne Unterstützung der Armee bewältigen.

Martin Gabi


Der 50-jährige Martin Gabi leitet seit Anfang 2014 die Sanität der Rettung Basel-Stadt.