Femizide - die massivste Form geschlechtsspezifischer Gewalt

15. Dezember 2022

Auf hunderten Velos, Plakaten und Stickern in der Region Basel hebt sich Schwarz auf Orange eine Faust mit Tränen empor – mit dieser und weiteren Aktionen wurde am internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen auf Femizide aufmerksam gemacht. Bei diesem weltweiten Phänomen handelt es sich um die massivste Form der geschlechtsspezifischen Gewalt. Die Information umfasste auch Tipps und Handlungsoptionen für Einzelpersonen.

In der Schweiz wird alle zwei Wochen eine Frau durch ihren Lebensgefährten, Ehemann, Ex-Partner, Bruder oder Sohn getötet. Und jede Woche überlebt eine Frau einen versuchten Femizid – so zumindest die bekannten Zahlen der Polizeistatistik, die Dunkelziffer ist bei den versuchten Tötungsdelikten höher. Am Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen, dem 25. November, waren das Justiz- und Sicherheitsdepartement und das Präsidialdepartement mit zwei verschiedenen Aktionen auf der Strasse, um für das Problem der Gewalt an Frauen zu sensibilisieren.

Vereint gegen Gewalt an Frauen: Regierungspräsident Beat Jans und JSD-Vorsteherin Stephanie Eymann mit Personen aus dem Netzwerk des Projekts «Halt Gewalt»..

Nicht jeder Mord an Frauen und Mädchen ist ein Femizid. Femizide sind eng verknüpft mit gesellschaftlichen Geschlechternormen und folgen fast immer einer Reihe von Warnzeichen wie übertriebener Eifersucht, Stalking, kontrollierendem Verhalten, Drohungen oder tätlichen Angriffen. Um Femizide zu bekämpfen, müssen solche Warnzeichen erkannt werden.

Femizide geschehen hauptsächlich (laut Schätzung von Fachleuten zu rund 60 Prozent) im häuslichen Kontext. In 90 Prozent ist die Tatperson männlich. Tötungsdelikte in einer (ehemaligen) Paarbeziehung sind oft mit dem Bedürfnis verbunden, die männliche Kontrolle über die Frau zu bestätigen, wenn das Verhalten der Frau als nicht im Einklang mit sozialen Normvorstellungen empfunden wird. Werden Frauen von anderen Familienmitgliedern umgebracht, handelt es sich häufig um so genannte Ehrenmorde oder Tötungen im Zusammenhang mit einer Mitgift, haben also ebenfalls mit gesellschaftlichen und kulturellen Normen zu tun.

Die anderen geschätzten 40 Prozent der Femizide sind Fälle, bei denen sich das Opfer und die Tatperson nicht persönlich gekannt haben. Zu diesen Femiziden fehlen Zahlen und Hintergründe, da polizeiliche Statistiken fast nur im Bereich der häuslichen Gewalt vorliegen. Es gibt Fachleute, die fordern, dass (versuchte) Femizide und ihre Hintergründe in die gesamtschweizerische Statistik aufgenommen werden, damit auch Femizide im nicht-häuslichen Kontext erfasst werden.

«Was kann ich selbst tun?» war auf der Strasse eine oft gehörte Frage. Mögliche Handlungsoptionen aufzuzeigen, ist eines der Hauptziele des Projekts «Halt Gewalt».

Aktionen am 25. November

Femizid war das diesjährige Fokusthema der «16 Tage gegen Gewalt an Frauen», die jeweils vom 25. November (Internationaler Tag gegen Gewalt an Frauen) bis zum 10. Dezember (Tag der Menschenrechte) stattfinden. Vertreterinnen und Vertreter der Kantone Basel-Stadt und Basel-Landschaft sowie verschiedener sozialer Organisationen führten am 25. November Aktionen durch, um die Öffentlichkeit für das Thema zu sensibilisieren und insbesondere auch Unterstützungsangebote bekannter zu machen. Ein weiteres Ziel beider Aktionen war es, die diversen Anlaufstellen in der Region bekannter zu machen, die dank ihrer angebotenen Unterstützung und Beratung entscheidend sind dafür, weitere schwere Gewalttaten und Femizide zu verhindern.

Farbe bekennen: Orange war die Farbe des Aktionstages. Wer wollte, konnte sich die Nägel orange lackieren lassen.

Aktion des Projekts «Halt Gewalt»

Das Projekt «Halt Gewalt» verteilte an Standaktionen an mehreren Orten im Kleinbasel kleine Kakteen, um die Passanten anzustacheln, bei Häuslicher Gewalt einzuschreiten. Dazu kam ein Flyer mit Verhaltenstipps bei Häuslicher Gewalt im sozialen Umfeld oder in der Nachbarschaft. Über Social Media wurde eine Aktion lanciert, sich die Fingernägel Orange zu lackieren, etwas oranges zu tragen und Statements zu teilen – insgesamt kamen so rund 70 Posts mit über 3300 Likes zusammen! Im Vorfeld wurden ausserdem 2500 Bieruntersetzer an 21 Restaurants sowie an die Standbetreibenden der Adventsgasse verteilt, die mit dem Spruch «Halt Gewalt ist auch mein Bier» darauf aufmerksam machen, dass das Thema uns alle etwas angeht.

An Informationsmaterial zum Thema mangelt es nicht. Im Bild Unterlagen zum kürzlich gestarteten Projekt «Halt Gewalt».

Aktion der Gruppe «Beide Basel gegen Gewalt an Frauen»

Die Gruppe verteilte am 25. November Velosattelüberzüge auf geparkte Fahrräder, unter anderem bei den Bahnhöfen Basel SBB, Liestal und Muttenz sowie bei diversen Schulen wie den Gymnasien, der FHNW Muttenz oder der Universität Basel. 30 regionale Unternehmen wie Bäckereien und Apotheken unterstützten die Aktion, indem sie ihre Tüten oder Kaffeebecher mit Aufklebern «Gegen Gewalt an Frauen⚧» versehen und ihrer Kundschaft so zeigen, dass sie Gewalt an Frauen⚧ nicht tolerieren. Die Aktion wurde durch Plakate an zentralen Standorten in beiden Kantonen begleitet. Der QR-Code, der auf Velosattelüberzügen, Stickers und Plakaten zu finden ist, führt zur Webseite www.beidebaselgegengewaltanfrauen.ch mit weiterführenden Informationen zu Schutzangeboten und Anlauf- und Fachstellen (siehe unten für weitere Links).

Auffällig orange: Impressionen der Aktion der Gruppe «Beide Basel gegen Gewalt an Frauen»